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BELLEVUE | eMagazine | 03/2013

GLOSSE I FRANKFURT SPECIAL BELLEVUE 3/2013 171 HENNI NACHTSHEIM ist ein Teil des legendären Comedy-Duos Badesalz. Mehr Infos unter www.badesalz.de und www.henninachtsheim.de DOLLBOHRER heißt die Tour zum Buch von Henni Nachtsheim. Mit dabei: Comedian Rick Kavanian gibt es auch mit Halbautomatik, die sich dementsprechend mit nur einer Hand fahren lassen … Aber wenn man keine Kohle hat, kann man sich so was gar nicht erst leisten! 4. „Immer die annern!“ Eine einfache, aber ausgesprochen effektive Weisheit. Nämlich, dass man, wenn man selber für irgendwas beschuldigt wird, dies sofort an andere Personen weiterleitet. Wobei es selbstverständlich Ihrem persönlichen Gusto überlassen bleibt, wer das sein soll. In Frankfurt überlegen sie diesbezüglich nicht lange, Frankfurter schieben jede Form von Schuld schon immer am allerliebsten ihren Nachbarn aus Offenbach in die Schuhe. Was mit dem jahrhundertealten religiösen Krieg dieser beiden Städte zu tun hat. Vergessen Sie Dortmund/Schalke oder USA/Taliban – Frankfurt/ Offenbach ist die Mutter all dieser Konfl ikte! Schlimm sind in diesem Zusammenhang auch all diese fi esen Offenbach-Witze, die in Frankfurt gern kolportiert werden und die man wirklich nicht weitererzählen sollte! Zum Beispiel der, bei dem drei Frankfurter am Stammtisch sitzen und plötzlich ein Kumpel reinkommt, sie ernst anschaut und dann sagt „Jungs, ich muss euch was gestehe! Ich hab Offenbacher Blut!“ „Was? Bitte nicht!“, schreien darauf die drei. „Doch“, entgegnet er, „... vorne an de Stosstang!“ Diese und viele weitere („Warum hat Nero damals Rom abgefackelt? Weil er Offenbach nicht kannte!“) sind politisch absolut unkorrekt, helfen Ihnen allerdings an vielen Plätzen Frankfurts, schnell Freundschaften zu schließen! Sollten Sie allerdings aus Versehen unwissentlich in Offenbach gelandet sein und erzählen dort diese Witze, werden Sie maximal in einem weißen Auto nach Frankfurt zurückkehren – und es wird kein Taxi sein! 5. „Immer de Reih nach, so wie die Klöß gesse wern …“ Ein Synonym für „sich nicht hetzen lassen“, das auf einer legendären Geschichte um einen Frankfurter Busfahrer basiert. Dieser soll eines Morgens nach dem Stopp an der ersten von eigentlich fünfundzwanzig Bushaltestellen plötzlich die vorgeschriebene Route verlassen haben, um stattdessen stadtauswärts zu einem Waldrestaurant zu fahren. Als ihn die aufgebrachten Fahrgäste aufforderten, sie gefälligst da abzusetzen, wo es eigentlich geplant war, meinte der nur: „Ich bin heut noch net dazu gekomme, örschendwas zu esse. Und mit leerem Magen fahr ich net gut. Also bestell ich mir erstema en Teller Klöß, und dann sehe mer weiter …“. Worauf sich sämtliche Passagiere schnell mit diesem Beschluss abfanden und erst am Nachmittag und in stark angeheitertem Zustand von ihren Familienangehörigen abgeholt wurden. 6. „Der Käs iss gesse“ Hat im Gegensatz zu Weisheit Nummer 5 nicht wirklich mit Essen zu tun, sondern ist genau genommen der Inbegriff der Aufgabe und Resignation. Schon während des Zweiten Weltkriegs hörte man diesen Satz immer wieder aus den Mündern hessischer Soldaten, kurz bevor der Ami oder Engländer kam. Aber auch im Sport wird dieser Spruch gerne verwendet. Ob beim Stabhochsprung, wenn der Springer plötzlich unter sich das Geräusch des brechenden Stabes hört, oder beim Biathlon, wenn der Schütze kurz vorm Schuss auf die Zielscheibe merkt, dass ihm dieser hinter ihm platzierte Kontrahent mit der auffälligen Augenfehlstellung in den Allerwertesten geballert hat. „Der Käs iss gesse“ ist die ultimative Klarstellung, dass das, was man sich vorgenommen hat, nicht klappen wird. Wurde übrigens letztes Jahr an der Frankfurter Börse als meistbenutztes Zitat noch vor „Danke!“, „Bitte!“ und „Guten Appetit!“ gelistet! 7. „Dir brennt doch de Kittel!“ Ist nicht die Feststellung, dass die Berufsbekleidung einer Arzthelferin oder eines Hausmeisters Feuer gefangen hat, sondern ist die verklausulierte Formulierung, jemandem klar zu machen, dass er nicht alle an der Waffel hat oder nicht ganz sauber ist. Wenn Sie also beim kurz vor dem Abschluss stehenden Millionendeal mit diesem unglaublich wohlhabenden Frankfurter Großunternehmer plötzlich das Gefühl haben, dass Sie vielleicht ein bisschen zu devot waren und Ihr Gegenüber eigentlich ein übler Sack ist, können Sie mit diesem hochphilosophischen Satz die ungleichen Verhältnisse wieder geraderücken. Und wenn Sie dann ein paar Stunden später komplett mittellos in einer unserer U-Bahnen sitzen und Sie von dem Kontrolleur mit dem freundlichen Satz „Kadde!“ zum Vorzeigen Ihres Fahrtickets aufgefordert werden, greift der Satz genauso wie dann später in der Untersuchungshaftzelle – usw., usw. 8. „Batschi, Batschi mache!“ Steht für alles, was mit Sex zu tun hat. Es gibt ja gerade in unserer heutigen tabulosen Zeit viele Formulierungsmodelle, um dem anderen Geschlecht zu vermitteln, dass man gerne mit ihm in die Kiste gehen würde. Von „Wolle mer Körpersäftcher tausche?“ über „F… mich“ bis was weiß ich nicht alles. Aber mit nichts werden Sie in Frankfurt das Objekt Ihrer Begierde schneller fl achlegen, als wenn Sie Ihr breitestes Grinsen aufsetzen und „Batschi, Batschi mache!“ rufen. Die erotische Wirkung dieses zärtlichen Werbens ist ehrlich unglaublich. Probieren Sie es beim nächsten Besuch einfach mal! So, das waren sie auch schon, unsere acht Kostbarkeit en. Seien Sie versichert: Damit kommen Sie in Frankfurt in Zukunft bestens zurecht. Sollte es dennoch zu irgendwelchen Fehlreaktionen oder sonstigen Unannehmlichkeiten kommen, wenden Sie sich bitte an den Verlag! Herzlichst, Ihr Hendrik Nachtsheim. Q


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