Düsseldorf Glosse

BELLEVUE | eMagazin | 01/2017

FOTO: Johannes Boventer; ILLUSTRATION: Tobias Rieger GLOSSE DÜSSELDORF SPECIAL JANUAR / FEBRUAR 2017 LARS HOHLFELD, der Shootingstar der Düsseldorfer Comedyszene HOME SWEET HOME Comedian Lars Hohlfeld hat grundsätzlich einen bewundernden und einen skeptischen Blick für seine Stadt übrig Was haben eine Ehefrau und eine Handgranate gemeinsam? Zieht man den Ring ab, ist das Haus weg!“ In Düsseldorf könnte dies bald die günstigere Variante für Hausbesitzer sein. Wieso? Schön, dass Sie fragen. Ich erzähle es gerne: Neulich mussten Bürger des Stadtteils Wersten für eine Fahrbahndecke aus der NS-Zeit aufkommen. Fast 80 Jahre nachdem die Straße fertig- gestellt wurde, flatterte den Anwohnern ein Bescheid ins Eigenheim, dass sie zwischen 8.400 und 14.000 Euro bezahlen müssen! Hoffentlich findet jetzt niemand vor meiner Haustür noch einen Knüppeldamm, den die alten Germanen errichtet haben. Sonst könnte die Stadt auf die Idee kommen, auch darauf noch Steuern zu erheben. Da käme inflationsbereinigt schnell das Bruttoinlandsprodukt von Liechtenstein zusammen. Generell wird an allen Ecken und Enden gebaut. Wo gestern noch ein altes Familienhaus stand, steht heute Fallobst in Form einer Abrissbirne. Es entstehen neue Wohnungen, die so klein und teuer sind, dass da eigentlich nur Japaner wohnen können. Da kann man aus 60 Quadratmetern locker drei japanische Wohneinheiten machen. Vielleicht ist der stetig teurer werdende Wohnraum ein Grund, warum das gesellschaftliche Leben mehr und mehr draußen stattfindet. Einen regelrechten Boom erleben die Trinkhallen oder Kioske, in Düsseldorf unter dem Begriff „Büdchen“ bekannt. Man findet sie in allen Größen und Ausstattungen. Bei manchen fehlt eigentlich nur noch, dass sie Zimmer vermieten, so üppig ist ihr Sortiment. Im Sommer feierten wir deswegen offiziell den ersten Büdchentag. Wurde auch allerhöchste Zeit. Immerhin versorgen uns diese Kleinode beinahe rund um die Uhr mit allen lebenswichtigen Dingen. Also Bier. Die bekannteste Trinkhalle ist das „Fortuna Büdchen“. Wenn Sie das nächste Mal in Düsseldorf sind, schauen Sie doch mal am Joseph-Beuys-Ufer 27 vorbei. Hier holt man sich eine Blechsemmel oder ein Lungenbrötchen, setzt sich auf die Kaimauer, blickt auf den Rhein und genießt den Sonnenuntergang. Manchen gefällt das so gut, dass sie den Sonnenuntergang schon morgens um 11 Uhr bewundern. Ein anderes Beispiel dafür, dass man sich bei uns gerne draußen blicken lässt, ist nach wie vor die Kö. Operierte Frauen trugen dort bis vor Kurzem ganz ungestört ihre Handtaschen spazieren. Aber seit einigen Wochen sind die Spielwiesen der Schönheitschirurgen nicht mehr die Nummer-eins-Attraktion. Mittlerweile sind es völlig andere Menschen, aber mit ebenso ausdruckslosen Augen. In Grüppchen schleppen sie sich durch die engen Gässchen der Altstadt und treffen sich mitten auf der Kö, auf der Girardet-Brücke. Oder wie sie inzwischen auch genannt wird: die Pokémon-Brücke! Immer mehr Menschen starren wie Hirntote auf ihre Smartphones und sind süchtig nach diesem Spiel. Junge Leute laufen vornübergebeugt und mit verkrampften Fingern Monstern hinterher. Die haben mit ihren zwölf, 13 Jahren schon stärkere Haltungsschäden als ihre Großeltern. Opa hat Rücken, der Enkel Facebuckel! Am Wochenende kommen die Jäger zu Tausenden und bringen den Verkehr zum Erliegen und die Kö-Frauen an den Rand der Verzweiflung, weil ihnen niemand mehr Beachtung zukommen lässt. Das Gute daran ist, dass die Damen vermehrt zu Hause bleiben. Tja, war dann doch nicht alles schlecht. Zuletzt noch ein Fun Fact: Der beste Wohnraum in Düsseldorf ist aktuell übrigens die holländische Botschaft. Es handelt sich um eine Wohnanlage unmittelbar am Rhein. Sie hat sechs Räder und ein gelbes Nummernschild. ■ LARS HOHLFELD steht mit seiner „Pop up Comedy“ in der Region Düsseldorf auf der Bühne. Zudem ist er wöchentlich bei der „Düsseldorfer Lachexpedition“ zu erleben. Mehr unter www.derlars.com 138 BELLEVUE 1/2017


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