Berlins Baumeister ARCHITEKTUR
BELLEVUE 4/2018 45
LIETZENBURGER STRASSE Inspiriert von klassischer Formensprache, bautechnisch auf höchstem Niveau:
Das Gebäude fügt sich harmonisch in seine Umgebung ein
Was wäre Berlin ohne das Hotel Adlon?
BELLEVUE sprach mit Robert Patzschke
in seinem Büro im Grunewald über die
Bedeutung klassizistischer Architektur, gerade
in unserer von Globalisierung und Digitalisierung
geprägten Gegenwart.
BELLEVUE: Herr Patzschke, warum ist
die klassisch-traditionelle Bauweise
gerade für Berlin so wichtig?
Robert Patzschke: Sie ermöglicht vor
allem, das spezielle Milieu durch den
Zweiten Weltkrieg zerstörter oder durch
Bausünden verhunzter urbaner Gefüge
wiederzufinden und sinnlich erlebbar zu
machen. Der von Hans Stimmans auf
städtebaulicher Ebene verfolgte Weg der
kritischen Rekonstruktion wurde von uns
auf architektonischer Ebene fortgeführt.
Wie konnte sich Ihr Baustil gegen die
Lobby der Modernisten durchsetzen?
Das hat mit dem Wiederaufbau des Adlon
zu tun, mit dem wir direkt vom Bauherren
beauftragt wurden – ohne Ausschreibung,
ohne Wettbewerb. Man wollte hier kein
modernes Gebäude, sondern das Grandhotel
in seiner historischen Pracht, jedoch
nach neuem Entwurf wieder aufleben
lassen. Hier waren wir erste Wahl, weil
es außer uns schlicht und einfach kein
anderes Büro gab, das so bauen konnte.
Mit dem Wiederaufbau des Adlon haben
Sie sich nicht nur Freunde gemacht …
Das ist noch harmlos ausgedrückt (lacht).
Als Sohn von Patzschke fiel ich damals vor
25 Jahren erst einmal durch die Aufnahmeprüfung
an der Hochschule, weil ich
natürlich keinen hypermodernen Entwurf
im Bauhausstil gezeichnet habe. Erst
im zweiten Anlauf hat es dann geklappt.
Weil einer Mitarbeiterin an der Uni
meine Zeichnung so gut gefiel, hat sie
dieses Werk als einziges aus dem Stapel
der Entwürfe vor der Vernichtung durch
den Reißwolf bewahrt.
Was hat Sie als Architekt bewogen, dem
klassizistischen Baustil Ihres Vaters
und Onkels zu folgen?
Ich bin vor allem geprägt durch die Leidenschaft
und Konsequenz, mit der mein
Vater und mein Onkel ihre Linie verfolgt
haben. Aber unabhängig davon bin ich
überzeugt, dass unsere klassisch-traditionelle
Architektur die zwei wesentlichen
Kriterien für ein gelungenes Bauwerk
erfüllt: Sie setzt auf harmonische Proportionierungen
und ermöglicht gleichzeitig
ausgesprochen vielfältige Gestaltungsvarianten.
Die meisten unserer Gebäude
wirken, als wären sie immer schon da
gewesen – wie etwa die 30 Bauten in
Wilmersdorf und Charlottenburg. Sie
nehmen sich zurück, fügen sich wohltuend
ein in ihre Umgebung und treten
gleichzeitig für sich als hochwertige
Gebäude in Erscheinung.
Ist der klassische Stil der modernen
Bauweise „überlegen“?
Von Überlegenheit würde ich nicht
Wie sähe die Hauptstadt aus
ohne die prachtvollen Fassaden des
Kronenpalais, der Charlottenhöfe, der Kloster
und der Kronprinzengärten? Dass diese
in einem klassischen Stil konstruierten
Neubauten jemals realisiert wurden, verdankt
die Hauptstadt dem Architekturbüro
Patzschke. Das im Jahr 1968 von den Berliner
Zwillingsbrüdern Jürgen und Rüdiger
Patzschke gegründete Unternehmen hat
sich von Anfang an der klassisch-traditionellen
Architektursprache verschrieben.
Mit ihrer Haltung haben sich die Brüder
anfangs gerade unter den Bauhaus-Apologeten
ihrer Zunft viele Feinde gemacht –
doch am Ende hat sie sich umso mehr für
die Unternehmer ausgezahlt: Als es nach
der Wende um den Wiederaufbau historischer
Bauten und ganzer Straßenzüge
ging, avancierten die Architekten Patzschke
dank ihrer über Jahrzehnte gewachsenen
Expertise für historische Entwurfsplanung
und Baukunst zu stilprägenden Baumeistern
ihrer Heimatstadt. Das Büro mit seinen
50 Mitarbeitern ist seitdem immer dann
gefragt, wenn sich einzelne Gebäude oder
ganze Straßenzüge harmonisch in die noch
vorhandenen Strukturen einfügen sollen.
Seit dem Generationenwechsel im Jahr
2002 führen die Architekten Robert, Tatjana
und Till-Jonathan Patzschke mit den Partnern
Michael Mohn und Prof. Christoph
Schwebel die beiden Berliner Ateliers des
Büros. Darüber hinaus betreibt das Büro
eine Niederlassung in Goa, Indien.
FOTOS/ZEICHNUNG: Patzschke Architekten (4)/Waldemar Saleski (1)