Glosse
FRANKFURTSPECIAL 3/2018
Comedian Ruben Daum weiß einiges. Und er ist sich sicher,
dass die Mainmetropole vieles ist, aber bestimmt kein Trend!
denn so ist es schon immer, und so bleibt’s jetzt aach, ferdisch! Es
weiß zwar mittlerweile keiner mehr, warum sich Frankfurt und
Offen bach nicht mögen, aber es ist zur Tradition geworden, diese
auf Gegenseitigkeit beruhende Abscheu beherzt aufrechtzuerhalten.
Ich wurde in Frankfurter Äbbelwoi-Kneipen nicht nur einmal Zeuge
angetrunkener Einheimischer im besten Seniorenalter, die stolz wie
Bolle und zu wie eine Handbremse verlautbarten, dass sie bis zum
heutigen Tage noch nie einen Fuß auf Offenbacher Boden gesetzt haben.
Dass diese Meisterleistung von den anderen mit Schulterklopfen
und frenetischem Beifall honoriert wurde, muss ich an dieser Stelle
wohl nicht weiter erwähnen. Hätte ich mich in diesen Momenten
mutig als gebürtiger Offenbacher geoutet, wäre das darauffolgende
Szenario ziemlich absehbar gewesen – 20 Minuten später wären
zwei gelangweilte Sanitäter zur Schwingtür hineinmarschiert, hätten
mich mit einem Stammtisch-Schild im Rücken blutend auf dem
Bauch liegend erblickt und genervt zum Seniorentisch gerufen: „Jetz
is awwer mal gut, gell, drei Offebächer in de Woch reiche ja wohl!“
Die Fronten bleiben verhärtet, aber trotzdem gibt es Lösungen –
nur weiß kaum einer davon. Der Kaiserlei-Kreisel direkt zwischen
den beiden rivalisierenden Städten wurde zum Beispiel nur gebaut,
um sowohl Offenbachern als auch Frankfurtern die Möglichkeit zu
geben, im allerletzten Moment doch noch umkehren zu können.
All das macht Frankfurt zu einer sowohl modernen als auch sehr
traditionsverbundenen Stadt, die auch ohne „hip“ zu sein mit hessischer
Gelassenheit hervorragend vor sich hin funktioniert und alles
hat, was eine Großstadt ausmacht – gleichbleibend lebendig, gleichbleibend
kulturell vorne mit dabei und gleichbleibend scheiße zu
durchfahren – zwischen 16 Uhr und 18 Uhr. Frankfurt is ’ne
Menge, aber kein Trend! So was hawwe mer gar
net nötisch … gell!
BELLEVUE 3/2018 151
HESSISCHE GELASSENHEIT
Frankfurt hat ganz einfach alles. Man kann durch die besseren
Gegenden, wie beispielsweise das Bankenviertel, gehen, nach
oben schauen und sagen: „Wow, jetzt bin ich schon zehn Minuten
unterwegs, und es tauchen immer noch neue Wolkenkratzer
auf. Beeindruckend!“ Man kann aber auch durch die weniger besseren
Gegenden, wie beispielsweise Preungesheim, gehen, nach unten
schauen und sagen: „Wow, jetzt bin ich schon zehn Minuten
unterwegs, und mir hat immer noch keiner beim Laufen die Schuhe
geklaut. Klasse!“
„Moment“, werden manche sagen, „diese Vielfalt haben andere
Städte auch – nimm doch nur mal Berlin!“ Jaa, stimmt schon, aber
mit Berlin habe ich seit jeher so meine Probleme. Ständig dieses
totaaal trendige Image, jeder will da hin, aber keiner weiß mittlerweile
mehr so wirklich, warum. Wahrscheinlich nur, um bei Bedarf
sagen zu können, dass man in Berlin wohnt. „Uuuh, wow, Sie kommen
aus Berliiin?!“, ist mittlerweile eine vollkommen typische Reaktion
einer vorpommerschen Provinz-Polizistin bei der Verkehrskontrolle.
Schon ist der Führerschein nicht mehr nur eine Befugnis
zum Führen eines Kfz, sondern auch ein hippes Trend-Accessoire.
Ich kann diesem Hype nichts abgewinnen. Die kriegen ja nicht
mal diesen Flughafen fertiggestellt. Ganz im Gegensatz zu Frankfurt!
Wir haben unseren Flughafen schon so lange fertig, dass wir
mittlerweile aus Langeweile einfach immer weiter bauen. Und dieses
Ost-West-Berlin-Ding? Es soll zusammenwachsen, was zusammengehört?
Erläutern Sie diese ehrenwerte Vision mal mit einem
Megafon in der Offenbacher Fußgängerzone oder der Frankfurter
Zeil. Die Wahrscheinlichkeit, mit Handkäs gesteinigt zu werden, ist
wohl um ein Vielfaches größer
als die, für diese Idee Beifall
zu ernten. Aber das ist okay,
Ruben Daum ist Teil der Odenwälder Kleinkunstband Die Oigeborne. Ihr aktuelles Programm
heißt „Schlechtes muss nicht billig sein“. Infos: www.facebook.com/dieoigeborne
FOTO: privat; ILLUSTRATION: Tobias Rieger