VIEL GRÜN
Leichte Bauten in
schweren Zeiten
plant Shigeru Ban:
zum Beispiel die
neuen Gebäude
der Swatch Group
Ja. Ich achte darauf, dass die Materialien
nicht zu schwer sind, damit jeder sie
tragen kann. Während ich die Details
ausarbeite, versuche ich sie so einfach wie
möglich zu gestalten, damit auch normale
Leute und nicht nur Bauprofis sie verstehen
2014 erhielten Sie den Pritzker-Preis,
der als der „Nobelpreis der Architektur“
angesehen wird. Die Gesellschaft
erklärt Sie zu „einem der einflussreichsten
zeitgenössischen Architekten“.
Ungeachtet dieser Anerkennung:
Welche Ziele haben Sie noch?
Ich denke nie an irgendwelche Ziele. Ich
arbeite jeden Tag hart, um die architektonischen
Probleme lösen zu können, mit
denen ich konfrontiert werde.
BELLEVUE 2/2018 17
DAS HÖCHSTE HYBRIDGEBÄUDE DER WELT
In Vancouver will Ban das mit 71 Metern
bis dato höchste Holzhybridgebäude der
Welt errichten
Sie wurden mit temporären Bauten
berühmt. Ist es Ihnen wichtig, dass jedes
Ihrer Gebäude – zumindest theoretisch
– in Gegenstände zerlegt und
recycelt werden kann?
Ich unterscheide nicht zwischen „temporär“
und „permanent“. Es sind nicht die
Materialien, die die Dauer des Bestands
von Bauten bestimmen. Ich denke, es ist
die Liebe der Menschen, die sie bestimmt.
Wenn die Leute ein Gebäude lieben, wird
das Gebäude lange bestehen bleiben.
Wenn nicht, wird es sehr schnell zerstört.
Die Paper Church in Kobe habe ich beispielsweise
nach einem Erdbeben im Jahr
1995 gebaut. Zuerst dachten die Leute, sie
sei etwas „Temporäres“, aber sie stand dort
zehn Jahre lang. Dann wurde sie nach
Taiwan gebracht, und dort steht sie nun
bereits seit 2008 „permanent“. Wenn ein
Gebäude zum Zweck des Geldes gebaut
wird, wird es nicht lange Bestand haben,
auch wenn es solide gebaut wird. Jedes
Mal, wenn es zu einem Wechsel des
Eigentümers oder Entwicklers kommt,
wird es sogar innerhalb weniger Jahre
nach dem Bau zerstört.
Neben großen kommerziellen Projekten
realisieren Sie regelmäßig kostenlos
Gebäude in Krisengebieten. Was ist Ihre
Motivation dafür?
Architektur steht oft in Verbindung mit
pri vilegierten Menschen. Ich wollte aber
Architektur erschaffen, die den einfachen
Menschen gewidmet ist, nicht nur den
pri vi legierten Leuten. Wenn es beispielsweise
zu einem Erdbeben kommt, sterben
die Menschen aufgrund der zerstörten
Ge bäude. Nicht das Erdbeben tötet die
Menschen. Das zerstörte Gebäude tötet sie.
Wir sehen oft Notunterkünfte oder Ka tastro
phen unterkünfte in sehr schlech tem
Zustand, in denen die Opfer leben müssen,
während sie auf den vollständigen Wie derauf
bau warten. Ich denke, es liegt in der
Verantwortung der Architekten, die Qualität
der Wohnbedingungen zu verbessern.
Es ist wichtig, dass die Menschen auch unter
solchen Umständen komfortabel leben.
In diesen Charity-Projekten helfen oft
Laien wie Studenten oder Freiwillige
beim Bau. Berücksichtigen Sie das,
wenn Sie Gebäude entwerfen?
können.
Interview Stefan Kreitewolf
Kontakt s.kreitewolf@planetc.co
FOTOS/ILLUSTRATION: Shigeru Ban Architects (4), privat (1)