Interview
SHIGERU BAN
Ein Stararchitekt ohne Starallüren, der
keine Stararchitektur von der Stange
macht: Das ist Shigeru Ban. Der
60-jäh rige Japaner erhielt 2014 den
Pritzker- Preis. Er gilt als einer der wichtigsten
Architekten unserer Zeit – auch
weil er neben luxuriösen Villen funktionale
Notunterkünfte realisiert.
Herr Ban, Sie haben am Hauptsitz von
Swatch Omega in Biel in der Schweiz
gearbeitet. Ein Teil des Büro- und
Produktionsgebäudes ist bereits fertig.
Was hat Ihr Design inspiriert?
Bei dem einen handelt es sich um den
Hauptsitz des einen Unternehmens und
bei dem anderen um ein Produktionsgebäude
für ein anderes Unternehmen. Diese
beiden Marken verfolgen verschiedene
Konzepte und haben einen unterschiedlichen
Geschmack. Eine der beiden Marken
ist sehr natürlich, organisch. Die andere
hingegen ist streng. Ich wollte einen
Kontrast zwischen den beiden herstellen.
Für die Schweizer Firma Tamedia
haben Sie ein Bürogebäude nur aus
Holz und ohne eine einzige Schraube
oder auch nur einen Nagel gebaut.
Können Sie Ihre Liebe für Holz
erklären?
16 BELLEVUE 2/2018
„ICH LIEBE HOLZ“
Shigeru Ban spricht im Interview über
seine Liebe zu natürlichen Materialien und wie
sie optimal zu nutzen sind. Außerdem verrät der
Pritzker-Preisträger, warum ihn das Bauen in
Krisengebieten fasziniert
Ich versuche Holz einzusetzen, wo und
wann immer es möglich ist, solange die
architektonischen Vorschriften eingehalten
werden. Ich möchte in meinem Design
so oft wie möglich Holz verwenden. Ich
persönlich liebe natürliche Materialien,
vor allem Holz. Außerdem interessiere ich
mich sehr für lokale Materialien. Deutschland
und die Schweiz sind die Länder, in
denen die Holzindustrie bzw. Holztechnik
auf der Welt am weitesten entwickelt ist.
In Biel gibt es eine Einrichtung, die auf
Holz spezialisiert ist. Als ich am Dach des
Centre Pompidou in Metz arbeitete,
führten wir in dieser Einrichtung
Materialversuche mit Holz durch.
Die Verbindungstechnik für das
Tamedia- Gebäude ist sehr prägend.
Wie wichtig ist die Technologie in der
Entwicklungsphase?
Ich habe kein Interesse daran, „ungewöhnliche“
Formen zu erstellen, die ich heute als
modern empfinde. Die digitale Fertigung
ermöglicht es uns, bei der Holzbearbeitung
eine höhere Genauigkeit und Präzision zu
erreichen. Sie ermöglicht uns auch, die
Dauer des Bearbeitungsprozesses zu
verkürzen. Mein Ziel ist es, sie effektiv in
Fertigungsprozessen einzusetzen, nicht
während des Gestaltungsprozesses.
Viele Ihrer Gebäude zeichnen sich
durch spektakuläre Dachkonstruktionen
aus, wie das Centre Pompidou in
Metz oder die gebogene Freiformbauweise
vor dem Swatch-Omega-
Gebäude in der Schweiz. Warum legen
Sie so häufig einen ganz besonderen
Schwer punkt auf die Gestaltung
des Dachs?
Das Dach ist der wichtigste Teil der
Architektur. Die Notwendigkeit von
Wänden hingegen hängt vom Kontext und
dem Standort des Gebäudes ab. In meinem
Projekt in Sri Lanka habe ich beispielsweise
Wände entworfen, die als Beleuchtung
dienen und offen sind, um sich an das
lokale Klima anzupassen. Das Dach
hingegen ist immer der wichtigste Teil.
Eine zweite Konstante in Ihrer Arbeit
ist der Einsatz von Materialien wie
Papier und Holz. Warum plädieren Sie
vor allem für Holzbauten anstelle von
Stahl oder Beton?
Holz ist anfälliger als Eisen oder Stahl.
Es ist schwierig, Holz zu verarbeiten. Ich
versuche mir immer zu überlegen, wie
man die Eigenschaften von Holz optimal
nutzen kann. Ich möchte das Design
unter Einsatz der für Holz spezifischen
Eigenschaften entwickeln.