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BELLEVUE | eMagazin | 02/2015

JAN KATH DESIGN „ICH HABE GENUG BILDER IM KOPF, DIE ICH NUR ABRUFEN MUSS“ LETZTE ARBEITEN Der fertige Teppich wird vor dem Versand mithilfe eines riesigen Holzspatels gereinigt (links). Um die erhabenen Muster im Design möglichst plastisch und exakt herauszuarbeiten, werden sie mit der Schere in Form gebracht. Fans seiner Teppiche pilgern zu den neun Showrooms des Designers BELLEVUE 2/2015 35 durch die Welt gehen. Die Wolkendarstellungen in einer bayerischen Barockkirche brachten mich zum Beispiel auf die Idee zur Kollektion ,Heiter bis Wolkig‘.“ Er habe so viele Muster im Kopf, die er Saison für Saison nur noch abrufen müsse. „Salamitaktik“ nennt er das. Dann stehen wir vor der brandaktuellen Neuheit aus dem Kath- Imperium: der luxuriösen, mit einem Orientteppich umkleideten Baumwollmatratze namens „Daydreams“. „Dieses Daybed hatte ich auch schon lange mit mir herumgetragen“, so Kath. Die handgeknüpfte Teppichmatratze in allen Farben des Regenbogens liegt auf einer Unterlage aus Lederriemen, gespannt über ein puristisches, schwarzes Stahlgestell. Eine Bett insel zum Dösen, Träumen, Lesen, Telefonieren. „Wichtig war mir, mit dem Produkt nahe am Teppich und damit bei meinem Kerngeschäft zu bleiben.“ Ein weiterer Grund für seinen Erfolg ist das unternehmerische Timing. Nach Jahren minimalistischer Einrichtungskonzepte und karger Böden hätten es speziell die Deutschen ab Mitte der 90er-Jahre wieder etwas gemütlicher haben wollen. „Mit meinen Entwürfen sprach ich Menschen an, die orientalische Handwerkskunst schätzten, aber die alten Orientmuster zu piefig fanden.“ Er bot ihnen das Gegenteil: Kunst. Alle mittlerweile fast 30 Teppichkollektionen eint ihr hoher kreativer Anspruch. Vertraute Motive bricht er auf, verfremdet sie und schafft so eine neue, ästhetisch-intellektuelle Dimension. Das künstlerische Prinzip zeigt sich beispielhaft in den optischen Gebrauchsspuren, mit denen er die traditionelle Orientmuster Kollektion „Erased Heritage“ gezeichnet hat. „Visuell habe ich die Zukunft des Teppichs bereits beim Prozess der Entstehung vorweggenommen. Der Gegensatz von Neu und Alt spiegelt sich also auf mehreren Ebenen“, so Kath. Neben Kreativität dürfte auch ein hohes Maß an Lebenserfahrung seinen Erfolg beflügelt haben. Nach seiner kaufmännischen Ausbildung im väterlichen Teppichunternehmen schulterte er Anfang der 90er-Jahre seinen Rucksack und brach nach Nepal auf. Seine entsetzten Eltern konnten ihn nicht zurückhalten. Es war das Fremde, Exotische, das ihn in den Himalaja zog. Kathmandu, die Hauptstadt Nepals, sei für ihn, den Hippie und Sinnsucher, eine Art Sehnsuchtsort gewesen. Er lebte in den Tag hinein, war in der Technoszene unterwegs. Mit Arbeit hätte er nicht viel am Hut gehabt. „Ich fand das Leben wunderbar und wollte unbedingt bleiben.“ Als das Geld knapp wurde, begegnete ihm sein Schicksal: Auf einer belebten Einkaufsstraße in Kathmandu traf er einen Geschäftsfreund seines Vaters. Der suchte gerade einen Manager für seine Teppichfabrik in Nepal. Kath: „Ich war total ab gerockt, also schlug ich ein.“ Und er fing Feuer. Über Nacht war er für 500 Mitarbeiter und die Teppichproduktion verantwortlich. Sein Arbeitgeber kümmerte sich währenddessen in Europa um den Vertrieb und brachte ihm nebenher alles bei, was er über das Teppichhandwerk und den Markt wissen musste. Seine Lektionen fielen auf fruchtbaren Boden. „Ich bin in die Branche hineingeboren worden und hatte auch schon als Jugendlicher meine ersten Teppiche entworfen.“ Nur zwei Jahre später kaufte er seinem Mentor – dank der Bürgschaft seines Vaters – die Fabrik mit 500 Mit arbeitern für eine bescheidene Summe ab und ging zurück nach Bochum. Von seinem neuen „Headquarter“ in der Maschinenfabrik aus baute er sein eigenes Imperium auf. Der große Durchbruch kam allerdings erst, als er sich konsequent von althergebrachten Teppichmustern löste „und meiner eigenen Kreativität vertraute“. Auch sein Team handverlesener Mitarbeiter ist Teil der Erfolgs story. Jan Kath setzt auf Familie und Freunde. Im gläsernen Bürotrakt kümmert sich seine Mutter Ruth um die Auftragsabwicklung, sein 21-jähriger Sohn David sitzt einen Raum weiter. Im Nebenzimmer setzt das dreiköpfige Grafikteam seine Entwürfe am Computer um und fungiert als Servicestation für die Showrooms. „Will ein Kunde eine andere Farbskalierung, simulieren wir das Ergebnis am Computer und schicken es an den jeweiligen Verkäufer“, so Kath, den seine Weggefährten als „ausgesucht höflich und bodenständig“ beschreiben. Nein, abheben wird dieser Mann mit Sicherheit nicht – außer im Flugzeug in seine zweite Heimat. ■ Mehr Projekte des Designers gibt es zu sehen unter www.jan-kath.com @


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